Verliebt in eine Marke?
Viele Menschen haben eine Lieblingsmarke, die ihnen ans Herz gewachsen ist. Wissenschaftler haben beobachtet, dass wir Beziehungen zu Marken entwickeln. Aber können wir eine Marke wirklich lieben?
17. Juni 2024 Lesezeit: 8 Min
Inhalt
Viele Menschen haben so etwas wie eine Lieblingsmarke, die ihnen im Laufe der Zeit ans Herz gewachsen ist. Ich selbst habe in meinem Leben etwa 15 Lieblingsmarken gehabt. Einige davon könnte man als verflossene Liebe bezeichnen, zum Beispiel Matador oder Playmobil.
Aber können wir eine Marke tatsächlich lieben? Terence Shimp und Thomas Madden haben sich an der University of South Carolina bereits im Jahr 1988 mit dieser Frage beschäftigt. Die beiden Wissenschaftler haben beobachtet, dass Menschen Beziehungen zu Marken entwickeln könnten, die von Zuneigung bis hin zu dem Zustand reichen, den wir als „Liebe“ bezeichnen.
Die Dreieckstheorie der Liebe
Bei ihrer theoretischen Überprüfung stützten sie sich auf die „Dreieckstheorie der Liebe“, ein Modell, das 1984 vom Psychologen Robert Sternberg entwickelt wurde. Dieses Modell besagt, dass Liebe aus drei Elementen besteht: Intimität („Initmacy“), Leidenschaft („Passion“) und Bindung („Commitment“). Diese Komponenten stellte Sternberg in einem Dreieck dar. Shimp und Madden wollten wissen, ob sich dieses Modell auf die Beziehung zwischen Mensch und Marke anwenden lässt.
Intimität
Es gibt etliche Studien, die die Idee stützen, dass wir Menschen eine starke Nähe zu manchen Produkten und Marken aufbauen und diese sogar als Teil unserer Persönlichkeit betrachten. Diese Vertrautheit kann man als Intimität bezeichnen. Aber können wir Leidenschaft für Objekte wie Marken empfinden?
Leidenschaft
Auch hier kamen einige Studien zu dem Schluss, dass der Mensch bisweilen bestimmte Produkte leidenschaftlich begehren kann. Wir können regelrecht süchtig nach bestimmten Markenprodukten sein und Markenleidenschaft ist eine ganz wesentliche, motivierende Kraft des Konsums. Damit können wir einen Haken an den zweiten Punkt unseres Dreiecks setzen.
Bindung
Der dritte Punkt, Commitment, ist nicht eindeutig zu übersetzen. Es bedeutet Bindung, Entscheidung oder Engagement, und beschreibt den Wunsch, eine Beziehung aufrechtzuerhalten. Das Commitment bildet eine wichtige Komponente in Sternbergs Dreieckstheorie der Liebe.
Im Marketing wird diese Bindung als Markentreue oder „Brand Loyalty“ bezeichnet. Diese Markentreue gilt seit langem als entscheidend für den Erfolg des zugehörigen Unternehmens, da sie zu wiederholten Käufen und einer stabilen Kundenbasis führt. Wenn wir Sternbergs psychologischer Definition von Liebe anerkennen, dann sind wir offensichtlich fähig, für Marken Liebe zu empfinden.
„Produkte werden in der Fabrik hergestellt, Marken entstehen im Kopf.“
Walter Landor
Dieses Zitat stammt von Walter Landor, dem schillernden Pionier in der Welt der Marken, dessen Lehren bis heute in der Fachwelt Beachtung finden. Die Agentur Landor Associates, die er 1941 gründete, hat heute Niederlassungen auf der ganzen Welt und entwickelte einige der größten Marken unserer Zeit. Mit diesem Zitat meinte Walter Landor nicht die Köpfe der Manager eines Unternehmens und auch nicht die Köpfe der Werbeagenturen, die beauftragt werden, um eine Marke zu inszenieren.
„Ihre Marke ist das, was andere Leute über Sie sagen, wenn Sie nicht im Raum sind.“
Jeff Bezos, Gründer von Amazon
Noch einen Schritt weiter ging Kevin Roberts, CEO der Werbeagentur Saatchi & Saatchi, als er einmal eine Ansprache vor einer großen Gruppe von Managern hielt: „Wenn Sie denken, dass die Marke Ihnen gehört, machen Sie einen großen Fehler, denn die Marke gehört den Menschen.“
Markenliebe in der Hirnforschung
Wenn Marken in unserem Kopf entstehen, dann sollten wir Menschen fragen, die sich in unserem Kopf auskennen. Der Neurowissenschaftler Dr. Paul Zak leitet das Center for Neuroeconomics Studies an der Claremont Graduate University und veröffentlichte die Bücher „Moral Markets“ und „The Moral Molecule“.
In einem Experiment untersuchte Zak mit seinem Team, wieviel Oxytocin im Gehirn freigesetzt wurde, wenn die Teilnehmer nach ihren Lieblingsmarken gefragt wurden. Daneben zeichnete er weitere Reaktionen wie Herzfrequenz und Nervenzuckungen auf.
Die gemessenen Ergebnisse zeigten, dass Personen, deren Beziehung zu einer Marke mit einer persönlichen Geschichte verbunden war, diese Marke sogar mehr liebten als manches Mitglied der Familie. Ein anderer Proband hatte stärkere Gefühle zu seiner Armbanduhr, die er von seinem Vater geerbt hatte, als zu seiner Freundin. Zaks Studie wird teilweise skeptisch betrachtet, da sie nur eine kleine Zahl an Teilnehmern hatte.
Metastudie: Lieben wir Marken genauso wie Menschen?
Shinya Watanuki und Hiroyuki Akama forschen an der University of Marketing and Distribution Sciences in Kobe. Sie wollten ein für alle mal klären, was es mit der Liebe auf sich hat, und ob wir tatsächlich die gleichen Gefühle für Marken wie für Menschen empfinden können. Im Jahr 2020 untersuchten sie 47 neurowissenschaftliche Studien, um „Markenliebe“ sowohl mit mütterlicher Liebe als auch mit romantischer Liebe zu vergleichen.
Die Ergebnisse zeigten, dass bestimmte Gehirnregionen, wie der Putamen und die Insula in allen drei Arten aktiviert waren. Der dorsale Striatum wurde speziell mit Markenliebe in Verbindung gebracht. Regionen, die mit mütterlicher Liebe assoziiert waren, befanden sich im kortikalen Bereich und im Globus pallidus, während romantische Liebe mit hedonischen und intimbezogenen Regionen wie dem Nucleus accumbens und dem ventralen Tegmentalbereich verbunden war.
Die Gemeinsamkeiten zwischen Marken- und romantischer Liebe wurden im dorsalen Striatum identifiziert. Im Gegensatz dazu gab es wenig Überschneidungen zwischen Markenliebe und mütterlicher Liebe. Kurz gesagt, die Ergebnisse deuten darauf hin, dass unser Gehirn die Liebe zu einer Marke etwas anders bewertet, als die Liebesbeziehung zu einem Menschen.
„Love Brand“ – eine Erfindung des Marketings?
In der Marketingwelt setzte sich ungeachtet dessen immer mehr der Begriff „Brand Love“ und „Love Brands“ durch. Kevin Roberts, CEO von Saatchi & Saatchi, prägte 2005 den Begriff „Lovemarks“. Darunter verstand er Marken, Events und Erlebnisse, die Menschen einfach lieben. Lovemarks allein würden diese über alle Maßen hinausgehende Loyalität hervorbringen. Eine wissenschaftliche Basis für diese Behauptung gibt es nicht. Nichtsdestotrotz begannen immer mehr Werber und Marketingfachleute den Unternehmen zu versprechen, aus ihrer Marke eine „Love Brand“ machen zu können.
„Wenn Sie denken, dass die Marke Ihnen gehört, machen Sie einen großen Fehler, denn die Marke gehört den Menschen.“
Kevin Roberts, CEO Saatchi & Saatchi
Um eine Love Brand zu werden, müsse das Unternehmen laut Roberts zunächst eine Vision für die Zukunft entwicklen, sodann sollte es alle Mythen und Geschichten rund um das Unternehmen sammeln, bis sich schließlich alles zu einer „Brand Story“ zusammenfügt. In weiterer Folge soll das Unternehmen und seine Produkte Sinnlichkeit ausstrahlen, um die Kunden zu verführen. Dazu werden alle fünf Sinne stimuliert.
Engagement, Empathie und Leidenschaft trügen schließlich dazu bei, dass sich eine starke Vertrauensbindung zum Kunden bildet, vergleichbar mit der Beziehung zwischen zwei verliebten Menschen. Lovemarks seien in der Lage, die Träume der Verbraucher zu verstehen, großartige Erlebnisse zu schaffen und die die Marke zu einem Teil deren Lebens zu machen.
Diese drei Punkte erinnern uns an Sternbergs Dreieckstheorie der Liebe, und tatsächlich konnte ich diese Elemente bei besonders erfolgreichen Marken nachweisen. Eine Lovemark zu etablieren ist – wie der Aufbau einer Marke generell – ein Marathon und niemals ein Sprint.
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Armin Bonelli
17. Juni 2024
Lesezeit: 8 Min