Trump: Politiker oder globale Marke?
Um das Pänomen Trump und seinen beispiellosen Erfolg besser zu verstehen, hilft es, ihn mit Nike und Red Bull zu vergleichen.
4. November 2024 Lesezeit: 9 Min
Inhalt
In Europa wird Donald Trump oft mit Unverständnis oder Ablehnung betrachtet. Für viele steht er als Symbol für eine radikale Politik, für demokratiefeindliche Positionen und für eine mitunter rassistische, frauenverachtende Sprache.
In Österreich hofften 71% der Menschen auf einen Sieg von Kamala Harris, lediglich 16% der Befragten wollten Donald Trump als nächsten Präsidenten der USA. Am meiste Ablehnung erfährt Trump in den skandiavischen Ländern, den meisten Zuspruch erhält er in Osteuropa.
Um das Phänomen Trump besser zu verstehen, wollen wir ihn einmal nicht als Politiker, sondern als Marke betrachten. Diese Perspektive erlaubt es uns, Trumps Erfolg und Wirkung auf eine Art zu analysieren, die jenseits politischer Inhalte liegt und auf Mechanismen des Marken-Managements basiert.
Markenzeichen, Slogan und „Brand Consistency“
Jede Marke hat ein Logo, das als visueller Einstiegspunkt der Marke dient. Trumps Markenzeichen ist sein augenfälliger Haarstil, der einigen Stoff für Gespräche bietet. Das wirkt zunächst unlogisch, denn die Mehrzahl der Kommentare ist nicht wohlwollend. Doch die unzähligen Parodien und Karikaturen seiner Frisur stärken letztlich die Marke Trump.
Mit „Make America Great Again“ nutzt Trump einen Slogan ähnlich wie Nike „Just Do It“. Dieser Sager wirkt auf seine Gegner und Kritiker chauvinistisch und großspurig.
Slogans funktionieren am besten, wenn sie einfach sind, sich reimen oder als Imperativ formuliert sind, sodass sie nicht erklärt, begründet oder bewiesen werden müssen. Wird ein Slogan tausende Male wiederholt, so brennt er sich wie ein Mantra ins Unterbewusstsein der Menschen ein. Aus der Welt der Werbung wissen wir, dass scheinbar einfältige Slogans viel besser funktionieren als kluge Aussagen. Sprüche wie „Haribo macht Kinder froh“ oder „Alles Müller, oder was?“ haben keinen tieferen Sinn, gerade deshalb wirken sie so gut.
Auch Barack Obama konnte seine Anhänger mit dem oft skandierten Slogan „Yes We Can“ gewinnen. Der Slogan von Kamala Harris „A New Way Forward“ ist einerseits zu unauffällig, um diskutiert zu werden, und andererseits schlecht skandierbar, und im Gedächtnis zu bleiben.
Trump hat den Slogan „Make America Great Again“ übrigens nicht erfunden, der wurde bereits von Ronald Reagan im Jahr 1980 verwendet.
⤷ Slogans US-amerikanischer Präsidentschaftskandidaten
Trump nutzt konstant dasselbe Auftreten, dieselben Slogans und einen unverwechselbaren Kommunikationsstil. Auch wenn er sich oft selbst widerspricht und nachweislich unwahre Dinge sagt, so bleibt er doch diesem Stil treu.
„Brand Consistency“ bezeichnet die Strategie, seinem eigenen Stil und seinen Botschaften treu zu bleiben. Das macht eine Marke in den Augen der Konsumenten zu einem verlässlichen Partner. Vergleichbare Marken wie Apple haben ebenfalls eine klare, stets wiedererkennbare Botschaft und Ästhetik, die Kunden über die Jahre anzieht und bei jeder Kampagne verstärkt wird. Trump ist ähnlich konsistent in seinem Branding: Er bleibt seinem Image treu und verstärkt es immer wieder, was seine Anhänger als Authentizität werten.
Polarisierung als Strategie
2018 verpflichtete Nike den Football-Star Colin Kaepernick für eine Werbekampagne. Kaepernick, der durch seinen Protest gegen Polizeigewalt und Rassismus öffentlichkeitswirksam wurde, gilt seitdem als kontroverses Symbol der Bürgerrechtsbewegung in der US-amerikanischen Gesellschaft.
Kaepernick wurde von Nike für den Werbespot zum 30. Jubiläums des Slogans „Just Do It“ verpflichtet. Die vehementen Reaktionen blieben nicht aus und die Nike-Aktie stürzte ab. Doch der Kurs erholte sich und erreichte noch im selben Jahr ein Rekordhoch. Obwohl die Kontroversen blieben – es kam sogar zu Gegenreaktionen wie dem öffentlichen Verbrennen von Nike-Produkten – war die Kampagne ein Erfolg für Nike.
„Es spielt keine Rolle, wie viele Menschen die Marke hassen, solange genug Menschen sie lieben“
Phil Knight, Nike-Mitbegründer
Wie Nike spielt Trump bewusst mit Polarisierung. Er baut eine „Wir gegen die“-Dynamik auf. Das schweißt seine Anhänger zusammen, seine Gegner lehnen ihn umso vehementer ab. Das Prinzip „entweder man liebt ihn oder hasst ihn“ sorgt für enorme emotionale Reaktionen in der Gesellschaft. Trump weiß, je mehr ihn die einen hassen, desto entschlossener stehen die anderen zu ihm.
Ein klares „Versprechen“ für die Zielgruppe
Erfolgreiche Marken vermitteln ihren Kunden ein klares Nutzenversprechen – Tesla beispielsweise spricht Menschen an, die innovativ sind, und verspricht ein einzigartiges Fahrerlebnis in Kombination mit Umweltfreundlichkeit. Harley-Davidson verspricht ein Lebensgefühl voller Freiheit und Individualität. IKEA verspricht, gutes Design für jedermann erschwinglich zu machen und dadurch das tägliche Leben zu verbessern. Red Bull zielt auf Menschen, die den Nervenkitzel lieben und Abenteuer suchen. Mit dem Versprechen, „Flügel zu verleihen“, verknüpft die Marke ihren Energy-Drink mit Extremsport und Spannung, was speziell junge, abenteuerlustige Menschen anspricht.
Trump spricht gezielt seine Zielgruppe an und verspricht ihnen, für deren Belange einzustehen. Im Gegensatz zu Kamala Harris formuliert Trump seine Versprechen sehr konkret. Dazu gehört, Amerika an die erste Stelle zu stellen, anstatt sich auf anderen Erdteilen zu engagieren, die Wirtschaft anzukurbeln und die Teuerung zu stoppen. Damit konnte er viele Menschen überzeugen.
Starke Symbolik und Inszenierung
Trumps Veranstaltungen, das Auftreten mit seiner ikonischen roten Kappe oder die aufwändige Inszenierung seiner Reden erinnern an die starke Symbolkraft bekannter Marken. Die rote Kappe ist ein Symbol, das auf einfache Weise eine starke Botschaft vermittelt. Sie ist ein Erkennungszeichen, das Loyalität signalisiert und seinen Anhängern eine Identität verleiht. Dieses Branding-Prinzip ist typisch für starke Marken: wie der weiße Apfel bei Apple oder der Swoosh bei Nike.
Trump hat seine Persönlichkeit zur Marke gemacht. Sein selbstbewusstes, oft provokantes Auftreten und seine unverblümte Sprache prägen die Marke „Trump“ und sorgen dafür, dass er sich klar von klassischen Politikern abhebt.
Trumps Wahlkampfkundgebungen sind regelrechte Shows mit jubelnden Fans, Sprechchören und beeindruckenden Bühnenbildern. Seine Inszenierungen erinnern stark an die Events großer Marken, liefern sie doch ein Spektakel aus Spannung und Unterhaltung, ähnlich wie eine Apple-Keynote oder ein „Red Bull Flugtag“.
Rebellen-Image
Trump positioniert sich oft als Außenseiter und Anti-Establishment, ähnlich wie Marken, die sich als „rebellisch“ gegen die Mainstream-Konkurrenz positionieren.
Die Marke Fritz-Kola baut auf dem rebellischen Image des Hamburger Stadtteils St. Pauli auf. Fritz-Kola positioniert sich konsequent als unangepasster Herausforderer der etablierten Marken Coca-Cola und Pepsi. Bars und Kneipen profitieren ihrerseits von diesem Rebellen-Image.
Harley-Davidson hat eine Geschichte, die eng mit dem Bild des Outlaws und Rebellen verknüpft ist. Filme wie Easy Rider und das Bild des typischen „Bikers“ haben Harley-Davidson einen Kultstatus verliehen, der eng mit Rebellion und Freiheit verbunden ist.
Trump hat sich bewusst als jemand inszeniert, der nicht zum politischen Establishment gehört. Diese selbst gewählte Positionierung als „Outsider“ verleiht ihm eine Anziehungskraft, die an Rebell-Marken erinnert, die die Werte ihrer Anhänger als unabhängige und eigenständige Personen widerspiegeln. Sein Narrativ, als Außenseiter gegen das „System“ anzutreten, spricht gezielt Menschen an, die sich vom Mainstream übergangen fühlen.
Ähnlich wie Rebellen-Marken nutzt Trump bewusst Provokation, angriffige Sprache und aggressives Auftreten. Er spricht kontroverse Themen an, oft in scharfer Sprache, was ihn von anderen Politikern abhebt. Für seine Anhänger wird er dadurch zum furchtlosen, authentischen Kämpfer, während ihn das um respektvollen politischen Stil bemühte Establishment gerade dafür ablehnt. Die Kombination aus Ablehnung und Begeisterung stärkt die Bindung zu seiner Marke und hält ihn konstant im Gespräch.
Fazit
Donald Trumps Erfolg lässt sich aus der Perspektive der Marken erklären. Ähnlich wie große Marken setzt Trump auf klare, emotional aufgeladene Botschaften, Wiedererkennbarkeit und eine starke Inszenierung. Er nutzt einfache Slogans und visuelle Symbole. Durch seine Anti-Establishment-Positionierung und seine provokante Rhetorik spricht er gezielt Menschen an, die sich vom politischen Mainstream abwenden. Trumps Erfolg basiert möglicherweise weniger auf politischen Inhalten als auf einer gut inszenierten Marke.
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Armin Bonelli
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Lesezeit: 9 Min