Warum Marken-Handtaschen so unverschämt teuer sind
Designer-Handtaschen sind mehr als ein Accessoire. Sie sind fixer Bestandteil des Outfits und ein modisches Statement. Aber warum sind sie so teuer?
8. Juli 2024 Lesezeit: 6 Min
Inhalt
Es war einer dieser verregneten Sonntage. Ich beschloss, eine Pause vom Schreiben zu machen, und setzte mich neben Jasmin aufs Sofa. Sie blätterte gerade in einer Zeitschrift, während ich über das nächste Kapitel für dieses Buch nachdachte. Jetzt zeigte Jasmin auf die Abbildung einer Handtasche. Es war eine ganz normale Tasche, wie ich fand, denn Handtaschen sahen für mich im Grunde alle gleich aus.
Jasmin hatte mich einmal darauf hingewiesen, dass ich das Universum der Handtaschen unbedingt kennen müsse, wenn ich vor hätte, ein Kapitel über Luxusmarken zu schreiben. Das war natürlich einleuchtend, und so betrachtete ich das Foto genauer. „Achttausend Euro!?“ rief Jasmin. „Was kann an dieser Tasche dran sein, dass sie so viel kostet?“
Sie sind unverschämt teuer
Ein liebender Partner hätte ich jetzt in ihre Empörung einstimmen müssen. Stattdessen kam der Markenstratege in mir zum Vorschein, und mit Pastorenstimme erklärte ich, dass ein unverschämt hoher Preis die Grundvoraussetzung für ein Luxusobjekt sei. Der hohe Preis hinge nämlich, so führte ich aus, in keinster Weise mit den Kosten der Herstellung zusammen, er sei vielmehr eine willkürliche Qualität des Produkts, möglicherweise sogar die wichtigste. Ohne diesen anstößigen Preis, schloß ich mein Plädoyer, würden wir das Gespräch über diese Handtasche gar nicht führen, und höchstwahrscheinlich hätten die Redakteure des Magazins überhaupt nicht über die Tasche berichtet.
„Wenn Verbraucher keine Vorkenntnisse über ein Produkt haben, wird der Preis häufig als Maßstab verwendet, um die Qualität oder vielmehr die Wahrnehmung von Qualität zu beurteilen.“
Adriaan Brits, Marketing Consultant
Fast alle Luxusmarken haben einmal als Handwerksbetrieb begonnen, sie sind oder waren zumindest einmal in der Lage, Dinge in außergewöhnlicher Qualität herzustellen. Die Qualität bildete damals den Grundstein der Marke. Aber das ist lange her. Für die Markenbildung im Luxussegment sind heute gute Geschichten, die sich rund um das Unternehmen ranken, viel wichtiger.
Sie haben eine faszinierende Geschichte
Jeder Marketing-Azubi weiß zumindest in der Theorie, was „Storytelling“ bedeutet, und kann von seiner Bedeutung für die Inszenierung einer Marke berichten. Die Dramen rund um die Familie Gucci waren so abstrus, dass sie nicht einmal Francis Ford Coppola erfinden hätte können. Voll von Lügen und Intrigen gipfelten die Ereignisse schließlich sogar in einem Auftragsmord, wie man im Film „House of Gucci“ erfährt, der 2021 unter der Regie von Ridley Scott entstand.
Die Schauspielerin und Sängerin Jane Birkin begegnete auf einem Flug Anfang der 1980er-Jahre Jean-Louis Dumas, dem Geschäftsführer von Hermès. Als sie ihre Handtasche öffnete, fiel ein Großteil des Inhaltes heraus und verstreute sich über den Boden. Birkin rief Dumas zu: „An dem Tag, an dem Hermès eine Handtasche mit Innentaschen herstellt, besorge ich sie mir.“
Die Idee zur Birkin Bag war geboren. Dumas setzte ihren Wunsch um, und als Geschenk erhielt Jane Birkin das erste Modell. Natürlich war sie einverstanden, dass Hermès ihren Namen als Modellbezeichnung nutze. Die Birkin Bag ist heute eine der begehrtesten Handtaschen und hat daher eine besonders lange Wartezeit. Etwa drei Jahre muss man sich in Geduld üben, wenn man dieses schöne Stück erwerben möchte.
Geschichten wie diese erregen unsere Faszination. Es sind Legenden, die uns in so ihren Bann ziehen, dass wir Leidenschaft für die Marke entwickeln. Diese Geschichten bilden die Basis für die Inszenierung jeder starken Marke, je dramatischer sie sind, desto besser.
Aber Geschichten machen alleine noch keine Luxusmarke. Viele Produzenten von einfachen Dingen haben ebenfalls eine bewegte Geschichte, sind aber weit davon entfernt, dem Luxussegment anzugehören. Erst ein unverschämt hoher Preis macht ein Produkt zum Luxusgut.
Sie sind schwer zu bekommen
Verstärkt wird die Faszination eines Artikel durch die begrenzte Verfügbarkeit. Meist sind es Uhren und Taschen, die von den jeweiligen Unternehmen künstlich verknappt werden, um ihren Wert und ihre Begehrlichkeit zu steigern. Die Hersteller produzieren ganz bewusst geringere Stückzahlen oder legen limitierte Editionen auf, um die Nachfrage zu steigern. Das führt zu verzögerten Lieferzeiten, und es entstehen Wartelisten, die gerne von den Medien aufgegriffen und in Social Media verbreitet werden, ohne dass dem Unternehmen dabei Werbekosten entstehen.
„Schwere Erreichbarkeit ist eines der entscheidendsten Merkmale von Luxus. Oftmals ist bei einem Luxusobjekt die Angabe ,Preis auf Anfrage‘ oder ,nach Verfügbarkeit‘ ein Hinweis darauf.“
Adriaan Brits, Marketing Consultant
Die Birkin Bag ist eine Handtasche, die von der französischen Luxusmarke Hermès im Jahr 1984 vorgestellt wurde. So wie Gucci in Florenz begann Hermès als kleine Sattlerei in einem Pariser Vorort. Heute produziert das Unternehmen die teuersten Taschen der Welt. Mit den Modellen Kelly Bag, Birkin Bag und Constance Bag hat sich Hermès in eine eigene Liga katapultiert.
Faszination Warteliste
Zuweilen werden Wartelisten auch geschlossen. Dann ärgern sich die Interessenten, dass sie bestenfalls auf einer Warteliste für die Warteliste stehen. Gerade erfuhr ich von meiner Frau, dass die Bucket Bag von Mansur Gavriel zur Zeit den Rekord hält. 55.000 Anwärterinnen sollen zur Zeit vorgemerkt sein. Medienberichten zufolge gilt diese Tasche als das begehrteste Luxusobjekt der Welt. Zumindest so lange, bis sich ein neuer Rekord einstellt.
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* Unverbindliche Preisempfehlung
Armin Bonelli
8. Juli 2024
Lesezeit: 6 Min