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Das Ende des Fachhandels: Markenstores erobern die Stadt

Markenstores haben die klassischen Fachgeschäfte weitgehend verdrängt. Aber warum eröffnen immer mehr Brands ihre eigenen Läden?

29. April 2024     Lesezeit: 5 Min

Das alteingesessene Papiergeschäft befand sich in der Einkaufsmeile der Stadt. Die Besitzerin führte trotz ihres hohen Alters den Laden immer noch selbst. Sie war stolz, dass ihre Schreibwarenhandlung zu den ältesten, zertifizierten Montblanc-Fachhändlern zählte.

Montblanc ist berühmt für der Herstellung von exklusiven Schreibfedern und Füllhaltern. Allerdings war das Geschäft seit einiger Zeit rückläufig, denn niemand schrieb mehr Briefe mit der Feder. Das Hamburger Unternehmen entschloss sich daher, eine neue Richtung einzuschlagen. Der Name Montblanc war weithin bekannt und als Marke hochpreisiger Produkte in den Köpfen der Menschen verankert.

Aus den Erfahrungen der Schweizer Uhren-Branche wusste man, dass der Aufstieg vom Qualitätsprodukt zum Luxusartikel die einzige Möglichkeit war, um in einer Welt zu überleben, in der Füllhalter genau wie mechanische Uhren zu überflüssigen Accessoires geworden sind.

Im Markenstore ist alles perfekt inszeniert

Für den Aufstieg ins Luxussegment sind spezielle Marken-Stores unumgänglich. In solchen Erlebnisräumen, in denen vom Licht über die Möblierung, Hintergrundmusik bis hin zum Duft alles aufeinander abgestimmt ist, kann die Marke erfolgreich inszeniert werden. Montblanc erweiterte das Sortiment um Reisegepäck, Uhren und Accessoires, und es entstand eine Markenwelt rund um den Namen „Montblanc“, die mit Schreibfedern nur noch am Rande zu tun hatte. Diese Strategie hat das Unternehmen vermutlich gerettet.

Die Betreiberin des Schreibwarenfachgeschäfts war jedoch am Boden zerstört, als sie erfuhr, dass Montblanc ihren Händlervertrag nicht verlängern wollte. Immerhin hatte sie – wie ihr Vater zuvor – die Füllhalter über Jahrzehnte mit Stolz verkauft. Aber ein alter Laden mit abgetretenem Nadelfilzboden, Neonlampen über dem Tresen, und einer Möblierung, dessen Nussholzfurnier sich längst ablöste, repräsentierte nicht das neue Selbstverständnis der Marke Montblanc.

Mittlerweile finden wir kaum noch Fachhändler in den Fußgängerzonen unserer Städte. Die meisten Marken betreiben heute ihre eigene Stores als moderne Tempel, in denen die Produkte wie Reliquien ausgestellt werden, und die Konsumenten die Marke erleben und verehren können.

Shoppertainment: die Verschmelzung von Einkaufen und Unterhaltung

Je weiter sich der Absatz von Waren ins Internet verlagert, desto weiter entwickeln sich Markenstores zu Plätzen, an denen der Aufbau und die Pflege der Beziehung zum Konsumenten im Vordergrund steht. Das Schlagwort „Erlebnisökonomie“ bezeichnet einen großen Trend, demzufolge die Unterhaltung in jeden Aspekt der Wirtschaft eingedrungen ist.

Die Verschmelzung von Shopping und Unterhaltung wird auch als „Shoppertainment“ bezeichnet. Es handelt sich dabei in Wahrheit um keine neue Idee, sondern vielmehr um eine Wiederbelebung des alten Marktplatzes, an dem Feste gefeiert wurden, und wo Musiker, Gaukler und exotische Schausteller auftraten.

„Kunden erwarten mittlerweile Shoppertainment. Mithilfe ansprechender Methoden wollen die Käufer das Produkt erkunden und dabei Spaß haben.“
Alex Vogler, Procter & Gamble

Diese Mischung aus Einkauf und Unterhaltung findet sich vermehrt in Flagship-Markenshops wieder. Diese neue Form ermöglicht nicht nur ein entsprechendes Erlebnis der jeweiligen Marke, es bietet den Konsumenten Freizeitvergnügen und Unterhaltung. Um die Menschen anzulocken, wird in solchen Stores außergewöhnliche Atmosphäre geschaffen wie in den Läden der Marke Rituals. Immer mehr werden auch Erlebnisse inszeniert, wie beim Seifenhersteller Lush.

Marktplätze verwandelt sich in Erlebnisorte

Große Marken bauen ganze Erlebniswelten auf, die mehr an Themenparks oder interaktive Museen erinnern, wie das Lego Imagination Center oder das World of Coca Cola Museum in Atlanta. Bei diesen Attraktionen zahlen die Besucher sogar für den Eintritt, um die Welt der jeweiligen Marke in einer vom Hersteller kontrollierten Umgebung zu erleben. Marken sind zu kulturelle Pop-Ikonen geworden und die praktische Funktionalität der Marktplätze verwandelt sich in Erlebnisorte, die von Unterhaltung und Fantasie geprägt sind.

Sie folgen dabei dem Vordenker Walt Disney, der vor einem halben Jahrhundert erkannte, dass Vergnügungsparks nicht nur für den Verkauf von Popcorn und Zuckerwatte, sondern auch für die Vermarktung von Produkten, Spielzeug, Sammlerstücken und Kinofilmen genutzt werden können.

Konsumenten verlangen nach Entertainment

Es zeigt sich, dass Konsumenten vermehrt nach solchem Entertainment verlangen und Unternehmen daher auf den „Kauf von Erlebnissen“ setzen. Aufwendiges Dekor, elegante Oberflächen und aufregende Beleuchtung bieten eine Bühne, die außergewöhnliche Erlebnisse bieten soll. Die Marke Hollister betreibt völlig schwarze Stores mit künstlichen Fenstern, die den Blick auf den Strand zeigten.

Stores der Marke Rituals ahmt den Besuch eines Spa nach. Bei einen Brunnen unter einem künstlichen Baum kann sich der Besucher die Hände waschen, während Mitarbeiter Tee anbieten.

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Armin Bonelli

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29. April 2024

Lesezeit: 5 Min